Im Südwesten Sardiniens, der zweitgrößten Insel Italiens, liegt eine Gegend, die sich abseits der bekannten Touristenrouten befindet.
Die Hauptstadt Cagliari liegt ca. fünfzig Kilometer weiter östlich. Hier, rund um die Städte Iglesias und Carbonia, ist die Natur wild und unberührt, die Küste hoch und felsig. Steil fällt sie ins tiefe, offene, blaue Meer. Oft bläst hier der Mistral. Ein kühler, kräftiger Wind aus Nordwesten, der hohe, schaumige, weiße Wellen bildet.
Wind und Meer prägen das Bild der Natur. Die gebogenen Baumkronen sind stumme Zeugen der ungeheuren Kraft des Mistrals. Unermüdlich graben die Wellen im Laufe von Jahrtausenden tiefe Wunden in das helle Küstengestein. So entstehen Grotten und Buchten, die meist nur übers Wasser zu erreichen sind.
Diese Gewässer sind Heimat vielfältiger Fischarten von der Muräne über den Tintenfisch bis hin zur Goldbrasse, dem Seewolf und dem Hummer. Die Gegend ist noch sehr fischreich, ein für das Mittelmeer immer seltener werdender Umstand. Aus den Rogen der Meeräsche, einem in dieser Gegend ebenfalls stark vorkommenden Fisch, wird dann die Bottarga gewonnen.
Eine nicht ganz so wertvolle Variante wird aus Thunfischrogen hergestellt, da Thunfische hier oft reichlich vorhanden sind. In ihrer Paarungszeit verlassen sie den kalten Atlantik um wärmere Gewässer zu erreichen, wie jene an der Südwestküste Sardiniens. Von Ende April bis Anfang Juni wird hier seit Jahrtausenden Jagd auf sie gemacht.
"Kaviar" aus dem Mittelmeer
Die Bottarga, auch Kaviar des Mittelmeeres genannt, wird seit jeher auf die gleiche natürliche Art und Weise hergestellt: die Rogen werden samt Dottersack gepresst, gesalzen und an der Luft getrocknet. Das Endprodukt ähnelt einem amberfarbenen Fischfilet. Die Phönizier waren die Ersten, die dieses Verfahren anwandten. Die so zubereitete Speise hat einen exquisiten Geschmack und das Salz macht sie darüber hinaus länger haltbar - ein nicht zu verachtender Vorteil - wenn man, wie die Phönizier, oft Monate lang auf hoher See war.
So wurde die amberfarbene Köstlichkeit bald im ganzen Mittelmeerraum bekannt. Die Ägypter sowie später auch Karthager und Römer lernten den Geschmack der gepressten, gesalzenen und an der Luft getrockneten Rogen zu schätzen. Dieses Gericht wurde so zu einer edlen Tauschware. Auf den Tisch kommt die Bottarga heute auch gerieben, z. B. in einer Glasdose. Daraus lässt sich in der regionalen Küche Sardiniens eine ganze Menge machen: von den Vorspeisen bis hin zu den Spaghetti.
Copyright © by Andrea Migoni, Übersetzer und Online-Journalist